Ich bekomme zum zweiten Mal bei einer Schulfahrt den gleichen kleinen Jungen als Fahrgast, den ich neulich schon mal zu seiner Oma fuhr. Heute - geht´s nach Hause. Es gibt einige Kinder in der Kolonie, die mit dem Taxi zur Schule gebracht und abgeholt werden.
So für ein paar Minuten mir der Limousine auf dem Hof der Grundschule zu stehen und während des Wartens auf den eigenen Mitfahrkandidaten all die wilden Kleinwüchsigen zu beobachten, die da aus dem Portal stürzen, macht schon Spass. Ich habe ja den großen Vorteil, daß ich keine(n) von denen ständig an der Backe habe. Auf meinen Fahrgast freue ich mich - der hat mir schon beim letzten Mal viel Spaß bereitet auf der Fahrt. Ein sehr netter Junge, der sich bestens mit sich selbst zu unterhalten und zu beschäftigen wußte und der sich sogar selbst zum Lachen bringen konnte.
Es regnet kräftig, aber das interessiert Kinder ja noch nicht so sehr wie Erwachsene - die auf ihre Frisur und/oder Gesundheit achten oder einfach nur täglich über´s Wetter klagen, weil sie keine anderen Gesprächsthemen haben.
Der Sonnenschein, der bei mir einsteigt, kennt sich aus, macht alles am liebsten alleine und genießt, nachdem er mir auf die Frage, ob er sich angeschnallt hat und wir losfahren können, mit "Ja" geantwortet hat, Weingummi aus der Tüte.
Heute ist er etwas redseliger und wir unterhalten uns ein bischen. Ich bin bei kleineren Kindern ebenso selten redselig, wie inzwischen bei den Erwachsenen (Kindern) - lasse lieber den Raum und schau, ob da was da kommt - oder eben nicht.
An einer Ampel strecke ich wortlos mal meine Hand nach hinten - ein stilles Spiel für mich - und werde gefragt "Was?". "Ich möchte bitte auch ein Gummibärchen." "Hier! Kannst gerne gleich noch zwei oder drei haben." Jetzt - schmelze ich endgültig dahin und bin verliebt - was ich ja im Grunde schon bei der ersten Fahrt war.
Ein großzügiges Kinderherz, wie schön!
Er erzählt mir, er wäre jetzt 4 Jahre alt. "Ne!", erwidere ich, "Du bist nicht 4, du bist schon viieeeel älter."
"Wie alt bin ich denn?"
Ich dreh mich kurz um und schau nochmal nach, es bleibt dabei, meine Antwort lautet "Du bist 8!"
Er ist wirklich überrascht und ruft laut "WOHER weißt Du das?!"
"Ja", sage ich, "das sehe ich halt."
Jetzt frage ich mutig zurück - Kinder können ja bekanntlich grausam sein - "Und - wie alt bin ich?"
"35" - lautet die Antwort - "meine Mutter ist auch 35."
Ich fühle mich sehr geschmeichelt, obwohl ich weiß: Vermutlich hält er alle Erwachsenen entweder für 35, also so alt wie seine Mutter und seinen Vater , oder aber für älter, wie die Oma und den Opa.
Für mich waren als Kind eine Weile fast alle "alten Leute" 40 ....
Ich erfahre u.a. noch von ihm, daß er Türke ist. Was ich denn sei?
Und daß ihn die Leute im Kiosk auf der Ecke, wo er wohnt, alle kennen, weil die auch türkisch sind.
Und - er kann schon ganz viel alleine.
Ja, das glaube ich ihm bzw. hab´ich mir gedacht ....
Er hat auch einen Schlüssel dabei, mit dem hat er vorher schon herumgeklappert, damit ich´s auch glaube, mit dem verschwindet er später im Haus, nachdem er es nochmal explizit erwähnte:
"Ich kann schon ganz viel alleine!".
"Ja!"´sag ich nur - denn ich weiß das.
Ich konnte auch schon viel alleine mit 8.
Und ich habe mir nichts sehnlicher gewünscht - als daß sie es mich einfach auch lassen ....
Als ich mit der Limousine angehalten habe, schenkt er mir die Tüte mit den restlichen Gummibärchen "Hier, die sind für Dich, kannst du haben- ich hab´ganz viele ..."
Wieder so eines meiner wertvollsten Geschenke hier auf dem Planeten.